Solargenossenschaften: Aktuell erlebt die Schweiz einen Gründungsboom
Für die Gründung einer Genossenschaft müssen bestimmte formelle Voraussetzungen erfüllt werden. Im Zentrum stehen dabei die schriftlichen Statuten als Grundordnung der Genossenschaft, die öffentliche Beurkundung der Gründungsstatuten durch eine Urkundsperson und die Mindestanzahl von sieben Gründungsmitglieder, die während der gesamten Lebensdauer der Genossenschaft aufrechterhalten werden muss.
Die Genossenschaft entsteht als juristische Person erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister. Damit die Handelsregisterbehörde die Genossenschaft einträgt, muss deren Gründung formell korrekt erfolgen. Insbesondere ist zu beachten, dass die Gründungsversammlung rechtskonform durchgeführt wird. Seit dem 1. Januar 2023 muss auch die Gründung von Genossenschaften öffentlich beurkundet werden, was eine gewisse Gewähr für die korrekte Formulierung der Statuten und Abwicklung der Gründungsversammlung bietet.
Das Gesetz definiert die Genossenschaft als «eine als Körperschaft organisierte Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften, die in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe bezweckt oder die gemeinnützig ausgerichtet ist» (Art. 828 Abs. 1 OR).
Die Merkmale der Genossenschaft sind im Wesentlichen also die folgenden:
Körperschaft (Personenverbindung mit eigener Rechtspersönlichkeit)
Personenbezogenheit (im Gegensatz zur Kapitalbezogenheit der AG)
Hauptsächlich wirtschaftlicher Zweck (gemeinsame Selbsthilfe) oder Gemeinnützigkeit
Prinzip der offenen Tür und kein festes oder zwingendes Grundkapital [1)
Vor jeder Gründung ist die passende Rechtsform des künftigen Unternehmens zu evaluieren. Die Genossenschaft bietet sich insbesondere dann an, wenn die Personenbezogenheit und die unbeschränkte Anzahl der Mitglieder wesentliche Kriterien sind.
Genossenschaften, die einen öffentlichen oder gemeinnützigen Zweck verfolgen, können auf entsprechendes Gesuch bei der kantonalen Steuerbehörde an ihrem Sitz hin für den Gewinn und das Kapital, die ausschliesslich und unwiderruflich diesem Zweck gewidmet sind, von der Steuerpflicht befreit werden. Steuerbefreit können allerdings nur Genossenschaften (und andere juristische Personen) werden, die einen im Allgemeininteresse liegenden Zweck und keine eigenen Interessen verfolgen. Das Fehlen von Erwerbs- oder Selbsthilfezwecken ist eine der zentralen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, weshalb sie in der Praxis vor allem für Vereine und Stiftungen zur Anwendung kommt. Die Möglichkeit einer Steuerbefreiung ist im Einzelfall zu prüfen. Ein Hinweis in den Statuten auf die (teilweise) Gemeinnützigkeit der Genossenschaft jedenfalls ist für die Steuerbehörde nicht verbindlich. Sie prüft im Einzelfall, ob die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gegeben sind oder nicht. Insbesondere dürfen Gewinn und Kapital auch bei Auflösung der Genossenschaft nicht unter den Genossenschaftern verteilt und bei der Vergabe von Aufträgen dürfen Genossenschafter nicht bevorzugt werden. Möglich sind auch teilweise Steuerbefreiungen. Ist die Genossenschaft die gewünschte Rechtsform, sind für deren Gründung folgende formelle Voraussetzungen zu erfüllen.
Die Genossenschaft bedarf für ihre Gründung schriftlicher Statuten. Diese sind die Grundordnung der Genossenschaft und ihnen kommt die Bedeutung einer Verfassung oder eines Grundvertrags zu.[2] Es ist daher wichtig, sich mit den konkreten Bestimmungen auseinanderzusetzen und die Statuten im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben sorgfältig auf die spezifische Genossenschaft abzustimmen. Musterstatuten können dabei als Leitfaden dienen, sollten aber immer auf die konkreten Gegebenheiten angepasst werden. Statuten können dem zuständigen Handelsregisteramt freiwillig zur Vorprüfung eingereicht werden.
Funktion und Wirkung
Indem sie die Struktur und Organisation der Genossenschaft sowie die Rechte und Pflichten der Beteiligten regeln, entfalten die Statuten der Genossenschaft in erster Linie eine genossenschaftsinterne Wirkung. Für Dritte können die Statuten einer Genossenschaft insbesondere in Bezug auf einen Beitritt oder in Bezug auf Wahl, Zusammensetzung und Kompetenzen der Organe interessant sein.
Handelsregister und Öffentlichkeit
Die Statuten müssen dem Handelsregister bei der Eintragung der Gründung der Genossenschaft eingereicht werden (Art. 84 Abs. 1 lit. b HRegV). Sie sind folglich öffentlich zugänglich. Diesem Umstand ist gegebenenfalls Rechnung zu tragen, und Regelungen, die nicht öffentlich sein sollen und nicht auf statutarischer Ebene erfolgen müssen, sollten unter Umständen nicht in den Statuten festgehalten werden.
Mindestinhalt
Die Statuten müssen zwingend Bestimmungen über Firma (Name), Sitz und Zweck der Genossenschaft sowie über die Form der Mitteilungen der Genossenschaft an ihre Genossenschafter enthalten (Art. 832 OR). In der Praxis gehen die Statuten jedoch regelmässig über diesen Mindestinhalt hinaus.
Bedingt notwendiger Inhalt
Das Gesetz nennt weitere Vorschriften, die in den Statuten geregelt werden müssen, sofern sie im konkreten Fall gelten sollen (Art. 833 OR). Davon betroffen sind:
Anteilscheine
Sacheinlagen
vom Gesetz abweichende Regelungen über Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft,
persönliche Haftung und Nachschusspflicht
vom Gesetz abweichende Vorschriften über Organisation, Vertretung, Beschlussfassung und Statutenänderung
Beschränkung und Erweiterung des Stimmrechts sowie Verwendung des Bilanzgewinns und des Liquidationsüberschusses
Fakultativer Inhalt
Die Statuten können weitere Bestimmungen enthalten, die nicht zwingend in den Statuten geregelt werden müssen. So sieht man bisweilen Regelungen, welche das Gesetz wiederholen oder Punkte betreffen, die gegebenenfalls auch vertraglich, durch Beschluss der Verwaltung oder in einem Organisationsreglement geregelt werden könnten.
Öffentliche Beurkundung und Handelsregister
Die Gründung der Genossenschaft muss öffentlich durch eine Urkundsperson (Notar) beurkundet (Art. 830 OR) und die Genossenschaft am Ort ihres Sitzes ins Handelsregister eingetragen werden (Art. 835 OR). Die Eintragung hat konstitutive Wirkung, d.h. die Genossenschaft erlangt ihre Rechtspersönlichkeit als juristische Person erst mit der Eintragung im Handelsregister (Art. 838 OR).
Die öffentliche Gründungsurkunde muss folgende Angaben enthalten (Art. 85 HRegV):
Personenangaben zu den Gründerinnen und Gründern sowie zu deren Vertretung
Erklärung der Gründerinnen und Gründer, eine Genossenschaft zu gründen
Bestätigung der Gründerinnen und Gründer, dass die Statuten festgelegt sind (und Unterzeichnung der Statuten – ansonsten keine Mitgliedschaft erworben wird)
bei Sacheinlage: Schriftlicher Gründungsbericht und Angabe, dass dieser der Versammlung bekanntgegeben wurde und von ihr beraten wurde
Wahl der Mitglieder der Verwaltung (inkl. Personenangaben)
Wahl der Revisionsstelle oder gegebenenfalls Verzicht auf eine Revision (Opting-out) [3]
Unterschriften der Gründerinnen und Gründer
Bestätigung der Gründerinnen und Gründer, dass keine anderen Sacheinlagen, Verrechnungstatbestände oder besondere Vorteile bestehen als die in den Belegen genannten (Stampa-Erklärung)
Die Gründungsurkunde ist in der Praxis häufig das Protokoll der Gründungsversammlung, das sämtliche der verlangten Angaben enthält und von allen Gründerinnen und Gründern unterzeichnet wird. Hat die Genossenschaft Grundbesitz oder übt eine Immobilientätigkeit aus, ist dem Handelsregister zusätzlich die sog. Lex Friedrich-Erklärung abzugeben, in der bestätigt wird, dass die Vorschriften des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG) eingehalten werden.
Teilnehmer und Aufgaben
An der Gründungsversammlung müssen neben der öffentlichen Urkundsperson zwingend mindestens sieben Genossenschaftsmitglieder teilnehmen. Diese Mindestanzahl an Mitgliedern muss auch nach der Gründung jederzeit erreicht werden (Art. 831 OR). Sinkt die Anzahl der Genossenschaftsmitglieder nach der Gründung unter sieben, befindet sich die Genossenschaft in einem Organisationsmangel und muss den rechtmässigen Zustand wiederherstellen, ansonsten sie die gerichtliche Auflösung riskiert (Art. 731 b Abs. 1bis Ziff. 3 OR).
Die Gründungsversammlung hat folgende Aufgaben:
Erklärung, dass eine Genossenschaft gegründet werden soll
(Beratung und) Genehmigung der Gründungsstatuten
Verfassen resp. Verabschiedung eines schriftlichen Gründungsberichts bei Sacheinlagen
Wahl der Genossenschaftsverwaltung
Wahl der Revisionsstelle oder Verzicht (Opting-out)
Die Gründungsversammlung beschliesst und wählt (ausser beim allfälligen Verzicht auf die eingeschränkte Revision) mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Art. 888 OR).
Konstituierende Verwaltungssitzung
Sehen die Statuten nichts anderes vor, konstituiert sich die Verwaltung der Genossenschaft selbst. In der Praxis trifft sich die frisch gewählte Verwaltung häufig direkt im Anschluss an die Gründungsversammlung zur ersten, konstituierenden Verwaltungssitzung und bestimmt ihre Organisation (inkl. Zeichnungsberechtigung), beschliesst gegebenenfalls bereits vorbereitete Reglemente oder ernennt eine Geschäftsleitung etc.
Über die Verwaltungssitzung ist ein Protokoll zu führen, das aber nicht öffentlich beurkundet werden muss. Beschlüsse, die eine Tatsache betreffen, die ins Handelsregister eingetragen werden müssen (z.B. Bestimmung des Präsidiums, Zeichnungsberechtigung) sind dem Handelsregister mit einem entsprechenden Protokollauszug anzumelden.
Die Genossenschaft ist durch die Verwaltung oder in deren Auftrag durch die öffentliche Urkundsperson ins Handelsregister an ihrem Sitz einzutragen. Dazu sind sämtliche oben aufgeführten Angaben zu machen resp. Unterlagen einzureichen. Wer die Zeichnungsberechtigung für die Genossenschaft hat, muss seine Unterschrift entweder öffentlich beglaubigen lassen oder persönlich beim Handelsregister vorstellig werden.
Erst mit der Eintragung im Handelsregister ist die Genossenschaft rechtsfähig. Für davor im Namen der Genossenschaft eingegangene Verpflichtungen, haften die handelnden Personen, sofern die Genossenschaft die Verpflichtungen nicht innerhalb von drei Monaten seit Erreichen der Rechtspersönlichkeit übernimmt (Art. 838 OR).
Bis zur Eintragung der Genossenschaft im Handelsregister kann die Mitgliedschaft nur durch Unterzeichnung der Statuten erworben werden (Art. 834 Abs. 4 OR). Danach reicht eine schriftliche Erklärung (Art. 840 Abs. 1 OR).
Abklärung / Beratung betr. Rechtsform, Statuteninhalt, Organisation etc.
Statuten redigieren oder redigieren lassen
evtl. Vorprüfung durch Handelsregisteramt
Vorbereitung der Gründungsversammlung
Sicherstellen, dass mind. sieben Gründungsmitglieder vorhanden sind und teilnehmen
Auswahl der Mitglieder der Verwaltung und Anfrage
Auswahl der Revisionsstelle und Anfrage
Auswahl der öffentlichen Urkundsperson
Gegebenenfalls Vorbereitung weiterer Unterlagen (Erklärungen, Berichte etc.)
Erstellen Traktandenliste und Einberufung Gründungsversammlung (unter Beilage der Statuten)
Anwesenheit von mind. sieben Gründerinnen und Gründern
Anwesenheit der Urkundsperson
Erstellen Anwesenheitsliste mit Personenangaben der Gründerinnen und Gründer
Gründungserklärung
Beschluss über die Statuten (inkl. Unterzeichnung durch die Gründerinnen und Gründer)
Bei Sacheinlage: Gründungsbericht
Wahl der Mitglieder der Verwaltung
ð Wahlannahmeerklärung zu Protokoll (oder vorgängig eingeholt)
Wahl der Revisionsstelle (oder Opting-out)
ð Wahlannahmeerklärung zu Protokoll (oder vorgängig eingeholt)
Protokoll (entspricht in der Regel der öffentlichen Urkunde)
Konstituierende Sitzung der Verwaltung mit Beschlüssen über Tatsachen, die im
Handelsregister eingetragen werden müssen (z.B. Präsidium, Zeichnungsberechtigung)
Anmeldung der Genossenschaft beim Handelsregister (inkl. Belege und Meldung weiterer Tatsachen)
Die Genossenschaft ist rechtsfähig, sobald sie im Handelsregister eingetragen (publiziert) wurde.
Aufnahme der operativen Tätigkeit
Übernahme der ausdrücklich im Namen der zu gründenden Genossenschaft eingegangenen Verpflichtungen innerhalb von drei Monaten
[1]ausführlicher z.B. Nadja Fabrizio, Die „DNA“ der Genossenschaft aus rechtlicher Sicht, idée coopérative Impulse 1 | 2022, S. 5 f.
[2] Die Rechtsnatur von Statuten ist umstritten. Regelmässig werden heute sowohl normative als auch rechtsgeschäftliche Komponenten berücksichtigt.
[3] Ein Verzicht auf die (eingeschränkte) Revision ist nur möglich, wenn alle Mitglieder der Genossenschaft zustimmen und die Genossenschaft nicht mehr als zehn Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt hat (Art. 906 Abs. 1 i.V.m. 727a Abs. 2 OR).