Das Erreichen eines gemeinsamen Ziels mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln ist der Kern eines jeden Unternehmens. Aber kein Unternehmen ist wie das andere – bei jedem Unternehmen sind Ziele und Mittel individuell, Chancen und Risiken unterschiedlich. Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein Unternehmen zu gründen, muss sich deshalb auch Gedanken dazu machen, wie sein Unternehmen konkret strukturiert und ausgestaltet werden soll. Es steht eine Vielzahl von möglichen Organisationsformen zur Auswahl: Neben den Personengesellschaften wie der einfachen Gesellschaft oder der Kollektivgesellschaft gibt es Körperschaften z.B. die Aktiengesellschaft (AG), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) – oder die Genossenschaft.
Die verschiedenen Gesellschaftsformen unterscheiden sich zum Teil erheblich voneinander. Das soll den unterschiedlichen Bedürfnissen der Gesellschafter Rechnung tragen. Ein zentrales Merkmal ist für Unternehmer stets die Frage der Haftung für Verbindlichkeiten des Unternehmens. Während bei Personengesellschaften (auch) die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen einstehen müssen, ist die Haftung bei den Körperschaften grundsätzlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Die Möglichkeit zur Begrenzung des Unternehmerrisikos auf das Vermögen des Unternehmens ist häufig ein ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl der Unternehmensform. Damit fallen die Personengesellschaften zum Vorneherein weg, und es bleibt die Wahl der richtigen Form unter den Körperschaften.
Die Genossenschaft mit ihren Eigenheiten kann in vielen Fällen das passende Kleid bei einer Neugründung bieten. Das trifft insbesondere auf Unternehmen zu, die mit gemeinsamem Handeln ungenutzte oder nur teilgenutzte Ressourcen einer geteilten Nutzung zuführen wollen. Setzen sich die Beteiligten die Förderung bestimmter wirtschaftlicher Interessen in gemeinsamer Selbsthilfe zum Zweck, so teilen sie sich nämlich die zentrale Idee einer Genossenschaft. Die steht im ausgesprochenen Gegensatz zum Kerngedanken beispielsweise einer Aktiengesellschaft. Bei der AG stehen für den Aktionär in erster Linie die Wertsteigerung seiner Beteiligung und die regelmässige, möglichst attraktive Rendite in Form einer Dividende im Vordergrund. Dem gegenüber soll bei der Genossenschaft der Unternehmenszweck in der Hauptsache durch die persönliche Mitwirkung der Genossenschafter erreicht werden. Wichtiger als die finanzielle Einlage sind deshalb die (fachlichen) Fähigkeiten und (geschäftlichen) Tätigkeiten des Mitglieds. Plakativ ausgedrückt: Aktionär kann jeder werden, der das nötige Kapital einschiesst, Genossenschafter nur, wer die nötige Qualifikation aufweist.
Ein weiterer Unterschied der Genossenschaft im Vergleich zu den anderen Organisationsformen stellt das sogenannte «Prinzip der offenen Tür» dar. Die Genossenschaft ist die Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften. Ein Eintritt (und auch Austritt) von Mitgliedern muss deshalb jederzeit möglich sein, wenn die (sachlichen) Kriterien für den Beitritt, wie sie in den Statuten festgesetzt werden, erfüllt sind. Aus der offenen Zahl von Gesellschaftern ergibt sich auch, dass eine Genossenschaft kein festes Grundkapital hat, ja nicht einmal zwingend ein Grundkapital haben muss (im Gegensatz z.B. zur Aktiengesellschaft, bei der ein in den Statuten festgesetztes Aktienkapital zwingend vorgeschrieben ist).
Die Ausprägung der Genossenschaft als personenbezogenes Unternehmen bringt es mit sich, dass die Genossenschafter einer Treuepflicht unterliegen. Sie haben die Interessen des Unternehmens in guten Treuen zu wahren. In den Genossenschaftsstatuten können weitere persönliche Leistungs- oder Unterlassungspflichten von Genossenschaftern aufgenommen werden. Beides ginge in einer Aktiengesellschaft nicht: Ein Aktionär darf ohne weiteres auch an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt sein. Ihm dürfen selbst in den Statuten keine Pflichten auferlegt werden, die über das Einbezahlen des Aktienkapitals hinausgehen.
Eine weitere Besonderheit der Genossenschaft, welche ebenfalls mit den Grundwerten einer Sharing Economy und dem Selbsthilfegedanken übereinstimmt, besteht in Bezug auf die Verwendung des Unternehmensgewinns. In der Genossenschaft fällt der Reingewinn grundsätzlich in das Genossenschaftsvermögen. Eine Auszahlung des Gewinns an die Genossenschafter (analog der Dividendenzahlung an den Aktionär) ist nur möglich, wenn die Statuten das ausdrücklich vorsehen.
Ebenfalls Ausfluss des genossenschaftlichen Gedankens ist das zwingende Kopfstimmrecht: Jeder Genossenschafter hat in der Genossenschafterversammlung eine Stimme. Die absolute Gleichheit der Genossenschafter stellt einen weiteren (unter Umständen entscheidenden) Unterschied zur Aktiengesellschaft oder der GmbH dar, wo sich die Anzahl Stimmen der Gesellschafter nach der Anzahl Aktien bzw. Stammanteile bemisst.
Wer in seiner unternehmerischen Tätigkeit Grundsätze wie die Offenheit für neue Beteiligte und absolute Gleichheit der Mitglieder ins Zentrum stellen will, und wer wirtschaftlichen Erfolg eher durch gelungene gemeinsame Selbsthilfe definiert denn durch die Auszahlung von Gewinnen, der wird sein Unternehmen mit Vorteil als Genossenschaft ausgestalten.
Die weiteren Blogbeiträge informieren Sie ausführlicher über die Rechtsform der Genossenschaft:
# 2 Was braucht es für die Gründung einer Genossenschaft?
# 3 Wie führen wir eine Genossenschaft?
# 4 Wie können Genossenschafter das Unternehmen mitgestalten?
# 5 Wie können (neue) Investoren an einer Genossenschaft mitbeteiligt werden?
# 6 Wer haftet für die Schulden der Genossenschaft?
# 7 Wie trete ich aus der Genossenschaft wieder aus?
# 8 Wie kann eine Genossenschaft aufgelöst werden?